Vorschlag für eine Intervention im öffentlichen Raum in Detmold

Für das Kunstprojekt „Blickwechsel“ habe ich 2010 folgende Intervention in Detmold vorgeschlagen: Die Figur des Arminius auf dem Hermannsdenkmal wird für einen Zeitraum von drei Monaten statt eines Schwertes eine weiße Fahne in die Höhe halten. Die Fahne ist etwa sieben mal zehn Meter groß und besitzt an ihrer kurzen Seite einen Hohlsaum, mit dem sie über das Schwert gezogen wird. So fungiert das Schwert als „Fahnenmast“ und ist nicht mehr als Waffe erkennbar.

Die Bedeutung des Zeigens der weißen Flagge ist allgemein bekannt. Je nach Situation kann die Flagge aber unterschiedliche Bedeutungen haben:

  • Sie kann als Zeichen der Kapitulation verstanden werden. Bereits der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtet gegen 109 v. Chr. vom Einsatz einer weißen Flagge bei der Kapitulation römischer Legionäre. So verstanden würde das Zeichen des Siegs des Arminius ganz simpel zu einem Zeichen der Niederlage verkehrt.
  • Die weiße Flagge ist aber auch die Flagge des Parlamentärs. Nach dem Kriegsvölkerrecht sind die Kombattanten verpflichtet seine völkerrechtlich garantierte Unverletzlichkeit zu wahren. So verstanden könnte der Krieger auf dem Sockel Verhandlungen anbieten, anstatt den Konflikt mit militärischen Mitteln zu lösen.

Die Figur des Arminius ist im Zusammenhang mit der Entstehung des Denkmals in erster Linie für einen militaristischen Nationalismus vereinnahmt worden. Die weiße Fahne kann vor diesem Hintergrund als Weigerung verstanden werden sich für bestimmte Nationalfarben in Dienst nehmen zu lassen.

Nach der Überhöhung der Figur und ihrer Indienstnahme für nationalistische Bestrebungen hat in der Postmoderne und im Zusammenhang mit den 2000-Jahr-Feierlichkeiten eine Trivialisierung der Figur des Hermann eingesetzt. Die zeigte sich (schon 1999) bei der Bekleidung der Denkmalsfigur mit dem Trikot des Fußballvereins Arminia Bielefeld, in der Verfügbarmachung als allgegenwärtiger „Pappkamerad“, der nicht nur in den Farben seines „Auftraggebers“ eingefärbt, sondern auch mit dessen „Attributen“ versehen wurde, und gipfelt in einer verniedlichenden Gestaltung als Gartenzwergverschnitt. Vor diesem Hintergrund kann die weiße Flagge auch als Kapitulation vor der Vereinnahmung durch die diversen Interessengruppen verstanden werden.

Die Wirksamkeit der künstlerischen Intervention beruht in erster Linie darauf, dass sie das Hermannsdenkmal nicht für eine bestimmte Aussage oder Botschaft in Dienst nimmt, sondern im Gegenteil mit der leeren weißen Fläche jede Bedeutungszuweisung in Frage stellt und den Helden so vor der allgegenwärtigen Vereinnahmung kapitulieren lässt.


Presseartikel in der Lippischen Landes-Zeitung vom 21. Juli 2010


Das Konzept wurde vom 17. September bis zum 15. November 2015  im Rahmen der Ausstellung Heldenmythen – Heldentaten – Heldentod im Saarländischen Künstlerhaus präsentiert. Neben dem Konzepttext und den Abbildungen standen in einem Postkartenständer 2500 Postkarten zum Verkauf, die alle das Motiv der Fotosimulation zeigten (s.o.). Über das Kontaktformular können immer noch Postkarten zum Preis von 50 Cent/Stück (plus Versandkosten) bestellt werden.