Intervention im öffentlichen Raum in Detmold im Rahmen von Blickwechsel, einem Ausstellungsprojekt zur Kunst im öffentlichen Raum in 42 Städten Nordrhein-Westfalens

Alexander R. Titz wählt für seine Intervention MachtLiebe den Kaiser-Wilhelm-Platz in Detmold, der heute vornehmlich von „arbeitslosen Biertrinkern“ und muslimischen Liebespaaren als Refugium genutzt wird. Zwei Ehrenmale erinnern an die Gefallenen der Kriege von 1870/71 und 1914/18.

Ähnlich wie in seinem ersten Entwurf Flagge zeigen oder das Handtuch werfen, der vorsah, der Figur des Arminius am Hermannsdenkmal statt des Schwerts eine weiße Fahne in die Hand zu geben, nimmt Titz auch in der realisierten Arbeit Bezug auf die in Detmold allgegenwärtigen Zeichen der militärischen Vergangenheit, wenngleich „partisanenhafter“, unauffälliger als im ursprünglichen Entwurf. Von den historischen Bezügen zwischen Ehrenmal und Hermannsdenkmal – dieses wurde einen Tag nach dem Ehrenmal eingeweiht und war Ziel zahlreicher Festzüge, die vom Ehrenmal ausgingen – erfuhr der Künstler erst im Nachhinein, nachdem er sich intuitiv für das Denkmal von 1871 als örtliche Alternative entschieden hatte.

Foto: Carsten Gliese

Bei seiner Umnutzung des Ehrenmals greift Titz die Funktion des Parks als Rückzugsort auf: Im Sockelbereich des Monuments, das von einem Eisernen Kreuz bekrönt wird, befinden sich portalartige Nischen mit Angaben zu Ort und Zeit der Kampfhandlungen sowie den Namen der Gefallenen, die von Darstellungen kaiserlicher Soldaten flankiert werden. Titz gestaltet die nördliche Nische zu einem Séparée für Liebespaare um, indem er mittels einer Holzkonstruktion eine Sitzfläche schafft, die er, ebenso wie den Wandbereich, mit rotem Material verkleidet. Damit hebt der Künstler ein heute kaum mehr wahrgenommenes historisches Zeugnis erneut ins Bewusstsein, wobei er auf die Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort eingeht und ihre Bedürfnisse auf plakative Art und Weise thematisiert. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, wollte man den Titel der Arbeit ausschließlich im Sinne des pazifistischen Imperativs „make love not war“ begreifen. Als ein Wort gelesen verweist er auf die Motivation der Mächtigen zum Zwecke des eigenen Machterhalts Konflikte mit Hilfe militärischer Mittel zu bewältigen. Wenngleich dieses Mittel gegenwärtig zumindest in Europa weniger häufig Anwendung findet als zur Blütezeit der Kriegerdenkmäler, so scheint sich doch an der Machtliebe der Mächtigen wenig geändert zu haben.

Die bewusste Ambivalenz des Titels spiegelt sich auch in den formalen und inhaltlichen Gegensätzen, die die Umgestaltung evoziert: Harter Stein gegenüber weichem Polster, stilles Gedenken gegenüber Benutzbarkeit und Aktivität, getötete junge Soldaten gegenüber sehr „lebendigen“ jungen Menschen. Manch einer mag sich an das soziale Anliegen von Beuys erinnert fühlen: „Da wo gegenwärtig die Entfremdung zwischen den Menschen sitzt – man könnte fast sagen als eine Kälteplastik – da muss eben die Wärmeplastik hinein. Die zwischenmenschliche Wärme muss da erzeugt werden. Das ist die Liebe.“ Titz selbst stellt im Gespräch seine Arbeit augenzwinkernd in Zusammenhang mit Beuys‘ „Skulptur, die nicht kalt wird“ Unschlitt/Tallow, die dieser 1977 in Münster fertigte.

Bei aller Gegensätzlichkeit ist in der Verwendung der Symbolfarbe Rot der Bank- und Wandverkleidung ein verbindendes Element zu sehen, steht sie doch einerseits für das Blut der Gefallenen, andererseits für die Liebe schlechthin. Auch an Darstellungen von Mars und Venus mag der Betrachter denken, zumal die die Titzsche „Bühne“ rahmenden Skulpturen an den Seiten der Nische (sie symbolisierten ursprünglich die Waffengattungen des Heeres) bereits 1945 „entwaffnet“ wurden. Schließlich könnten auch das Eiserne Kreuz und die Namen und Todesdaten der Gefallenen ein Pendant finden in einer möglichen Beschriftung der ausgepolsterten Nische mit „von Amors Pfeilen getroffenen“ Herzen und den Namen und „Besuchsdaten“ der Benutzer der Nische, haben doch auch frisch Verliebte einen Hang zur Verewigung. Ob und inwieweit die Arbeit zu einem neuen interaktiven „Denkmal“ in diesem Sinne wird, bleibt abzuwarten.

Rena Karaoulis


Presseartikel in der Lippischen Landes-Zeitung vom 6. August 2010

Presseartikel in der Lippischen Landes-Zeitung vom 30. August 2010