kinetische Klanginstallation

Raumbestimmend ist die ausladende Installation „grosse Kreislaufstörung“: Um die zentrale Säule im Raum ist eine rohe Konstruktion aus Dachlatten gebaut, an der vier Wippen aus Aluminiumschienen angebracht sind, an deren Enden je ein Eimer mit roter Flüssigkeit befestigt ist. Durch Schläuche wird die Flüssigkeit vom tiefer hängenden Eimer in den höher hängenden gepumpt, sodass der Wippmechanismus in Gang gesetzt wird und runde Lautsprecherobjekte auf den Aluminiumprofilen in Bewegung geraten.

Aus den Lautsprechern sind Teile der Erzählung „Der kleine Häwelmann“ von Theodor Storm zu hören, als sich klanglich überlagernde Sprechfolgen, die es dem Zuhörer schwer machen, sich auf eine einzelne Klanquelle zu konzentrieren. In seiner Erzählung lässt Theodor Storm einen Jungen eine ebenso imaginäre wie auch konkrete Reise antreten – durch sein Zimmer, durch die Stadt, durch den Wald und den Himmel, jeder dieser Reisestationen ist eine Wippe zugeordnet. Der Junge ist in kindlich-naiver Begeisterung befangen, ihn erfasst eine spielerische Unersättlichkeit. Der Mond als Regulativ fragt, ob er denn nicht genug hätte und der kleine Häwelmann verlangt, lustmotiviert und selbstvergessen, Gefahren und Risiken ignorierend, immer nach mehr.

Alexander Titz, der die Erzählung vom kleinen Häwelman bereits in anderen Kontexten künstlerisch verarbeitet hat, entwirft mit dieser Arbeit eine vielschichtige Metapher zur Unersättlichkeit des Menschen – eine „grosse Kreislaufstörung“, die Bezug nimmt auf globale wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte. Dazu passt die rohe, provisorische Art der Installation, die materialsichtig von Schrauben zusammengehalten wird oder lediglich von Schraubzwingen. Die Raumsituation konterkarierend stellt sich die Installation als ein Gebilde dar, das gerade so funktioniert, das aber auch immer kurz davor scheint, auseinander zu fallen – es letztendlich aber doch nicht tut. Die rote Flüssigkeit weckt unmittelbar Analogien zu Blut, zum Blutkreislauf, zu einer körperlich organischen Situation. Wie ein prekäres Labor, eine unsichere Versuchsanordnung, eine künstlerische Situationsbeschreibung, die sich nicht unmittelbar erschließt und die im Prozess erkundet werden muss.

Andreas Bayer


Vom 10. bis 30. Oktober 2016 war die Klanginstallation im Rahmen der Ausstellung TRANS/POSITION im E-Werk in Freiburg zu sehen.