interaktive Installation für das Saarländische Künstlerhaus

Alexander R. Titz baut in einem fast vier Meter langen, tunnelartigen Gang, dessen Boden ein flaches Becken bildet, eine virtuelle Reinigungsanlage aus projizierten Wasserwellen auf, die durchschnitten werden muss, um in die anderen Ausstellungsräume zu gelangen. Erst dann, wenn der Besucher durch das genaue Hinsehen erkannt hat, dass die sichtbaren Wasserwellen nicht durch tatsächliche Wasserbewegungen im Becken entstehen, sondern eine Fiktion sind, wird er zögerlich den Gang trockenen Fußes durchschreiten. Die zweite Ent-Täuschung trifft ihn beim Passieren der lichtempfindlichen Sensoren, die der Künstler in die Metallröhren seiner Duschwannenstöpsel eingebaut hat. Die Bewegungen der virtuellen Wasseroberfläche verlangsamen sich und der leise Installationston verändert ebenfalls die Tonhöhe.

Es wird ein Lernprozess mit dem Ziel in Gang gesetzt zu erkennen, dass der Schatten, welcher auf den Tubus fällt, Ursache für den Stillstand der Wellenbewegung ist. Dies ist in der Tat ein ganz und gar realitätsfremder Vorgang, denn Wasser in einem geschlossenen Becken steht qua physikalischem Gesetz still und bewegt sich erst dann, wenn die Oberflächenspannung verletzt wird oder die Masse durch eine von aussen einwirkende Kraft sich verlagern muss. Da Licht und Schatten immaterielle Elemente sind – scheinbar unfähig etwas so beharrliches wie mehrere hundert Kilogramm Wasser in Bewegung versetzen zu können misstraut man dieser Kausalität. Selbstverständlich ist der Künstler nicht in der Lage, diese physikalische Großtat zu bewältigen, doch immerhin gelingt ihm dies im Modellversuch, denn es ist wirklich Wasser, das bewegt wird. Es steht in Form einer transparenten Schale auf der von unten beleuchteten Projektionsfläche eines Overheadprojektors. Die Umwandlung der Lichtenergie in kinetische Energie gelingt Titz durch den Einsatz von zwei Lautsprechern, welche hermetisch mit der Schale verbunden, die von einem Verstärker erzeugten elektronischen Impulse in Druckwellen umwandeln. Die ursprünglichen Lichtwellen treffen schließlich als mechanische Druckstöße in variabler Stärke auf das Wasser und versetzen es in Schwingungen. Der vergrößerte Spiegel des Projektors lenkt die Lichtstrahlen in den Gang und das Projektionsbild zeigt die Wellenbewegungen der Schale.

Der Aufbau benötigt keinen Impuls von außen. Somit führt Titz den typischen Fall einer Iteration, einer ständigen, aus sich selbst entstehenden und sich selbst steuernden Wiederholung vor. Es ist nicht das perpetuum mobile des einundzwanzigsten Jahrhunderts, das alle Energiefragen löst, doch immerhin eine plausible Auseinandersetzung mit Energiebewegungen, die zum Nachdenken über die Endlichkeit derselben anregen. Dieses künstlerische Modell greift Theorien der Chaosforschung über Wahrscheinlichkeit und Entropie auf und macht sie unmittelbar als Kunstwerk erfahrbar, ohne den Anspruch zu erheben, ein neues Newtonsches Weltbild aufstellen zu wollen. Titz vertritt dabei zwar einen postmodernen Denkansatz, weiß aber mit viel Ironie einen symphatischen menschlichen Bezug herzustellen, der uns dann wieder auf den echten Betonfußboden der Tatsachen holt.

Gerhard Glüher